Die Pyrenäen

Persönlicher Bezug: 

Schon seit meiner Kindheit konnte mich der Radsport völlig begeistern. Als kleines Kind haben wir jedes Jahr die wichtigsten Radrennen im Fernsehen verfolgt. Die Leidenschaft für den Radsport und den Sport allgemein konnte ich bis heute aufrechterhalten. Mit der Zeit entdeckte ich aber auch die Reise- und Abenteuerlust in mir. Vor allem mit dem Fahrradfahren ließ sich dies optimal verbinden, und so habe ich bis heute schon einige Fahrradtouren gemacht und dabei neue Orte, Menschen und Kulturen kennengelernt.

Als ich dann im Herbst 2021 erfuhr, dass wir das Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen besuchen werden, war ich selbstverständlich begeistert. Natürlich musste ich direkt an legendäre Tour-de-France-Etappen am Col du Tourmalet denken, sowie an die unglaublichen Berge, die mich schon immer gereizt haben. Somit stand ich mit unglaublicher Vorfreude vor der Reise.

Diese hohen Erwartungen konnte die Reise auch vollumfänglich erfüllen. Wir konnten großartige Menschen kennenlernen und der bewegende Besuch in Gurs machte unser gesamtes Projekt viel greifbarer und zu einer wahren Herzensangelegenheit. Ein Moment prägte mich besonders. Wir hatten an diesem Tag einen Workshopauf dem Château d’Orion, welches auf einem kleinen Hügel im Pyrenäenvorland steht. Das Château war sehr beeindruckend und auch die Aussicht auf die Berge war atemberaubend, was mir besondere Freude bescherte.

Ich stand also dort auf dem Hügel und betrachtete die Pyrenäen, vor allem den beeindruckenden Pic d’Anie, welcher mächtig aus der Bergkette hervorragt. Und ich fing an nachzudenken, nachzudenken über die Menschen, die zwischen 1936 und 1939 aus Spanien über diese Berge flohen. Wahrscheinlich waren sie froh,
wenn sie endlich den Bergen den Rücken kehren konnten. Die Fluchtrouten von spanischen Republikanern über die Pyrenäen während des Spanischen Bürgerkriegs waren hart. Tagelang mussten die Menschen mitten durch die eiskalten und verzeihungslosen Pyrenäen laufen. Diese Menschen wurden zu Flüchtlingen in ihrem eigenen Land und verfolgt von der unerbittlichen Wut des Franco-Regimes.

 

Das Grauen des Bürgerkriegs: 

Der Spanische Bürgerkrieg, der 1936 begann und bis 1939 dauerte, ist eine dunkle Zeit in der Geschichte Spaniens. Die republikanischen Kräfte, die für eine demokratische und fortschrittliche Gesellschaft kämpften, sahen sich einer überwältigenden militärischen Übermacht unter General Francisco Franco gegenüber. Die Republikaner wurden bombardiert, belagert und in die Enge getrieben. Für viele war die Flucht über die Pyrenäen die einzige Hoffnung auf Überleben.

Die Entscheidung zur Flucht:

Die Entscheidung zu flüchten war für viele Menschen keine einfache. Familien wurden auseinandergerissen und es war schwer, das einst geliebte Heimatland verlassen zu müssen. Doch die Alternativen waren für die meisten Republikaner noch schlimmer. Sie mussten sich darauf einstellen, verfolgt zu werden, und Gefangenschaft sowie Folter und Tod waren keine unüblichen Strafen. Somit war die Flucht ein verzweifelter Versuch, dem Regime zu entkommen und ein Leben in Freiheit zu führen.

 
Das Vermächtnis der Flucht über die Pyrenäen: 

Die Flucht über die Pyrenäen ist ein bewegendes Kapitel in der Geschichte des Spanischen Bürgerkriegs und wird für immer ein wichtiger Teil der Geschichte Spaniens sein. Alle Menschen, die damals diesen Mut und diese Entschlossenheit an den Tag legten, um in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu fliehen, verdienen unseren großen Respekt. Auch wenn es die Menschen nach Frankreich geschafft hatten, bedeutete dies nicht direkt, dass sie frei waren. Denn unter dem Vichy-Regime wurden auch spanische Republikaner in Frankreich verfolgt. Vor allem herrschte in der französischen Regierung Panik und völlige Überforderung. Was sollte man jetzt mit den ganzen Menschen machen? Wo sollten sie alle hin? Daher wurden in der Folge Lager wie Gurs errichtet, um die Massen an Flüchtlingen unterzubringen. In den Lagern konnten die Menschen wenigstens unterkommen und eine gewisse Zeit bleiben. Doch bald beanspruchte das Vichy-Regime das Lager.

Später wurde Gurs Bestandteil der NS- Vertreibungs- und Vernichtungspolitik. Zuerst internierten sie Unerwünschte in Gurs. Zu der Zeit lebten dann die Unerwünschten noch gemeinsam mit den spanischen Widerstandskämpfern im Lager. Ab dem Morgen des 22. Oktobers 1940 wurden die Jüdinnen und Juden aus Baden und der sogenannten Saarpfalz zu Sammelstellen befohlen und in Zügen nach Gurs deportiert. Spätestens ab diesem Moment war es kein Flüchtlingslager mehr, sondern ein reines Internierungslager. Die Verhältnisse wurden dementsprechend auch deutlich schlechter und viele Menschen litten unter großem Hunger.

 
Dory Sontheimers Familiengeschichte: 

Ein ähnliches Schicksal ereilte Dory Sontheimers Großeltern, welches sie in ihrem Buch „Das Vermächtnis der sieben Schachteln“ niederschrieb. Dory Sontheimer wuchs in Spanien in Barcelona auf und entdeckte nach dem Tod ihrer Mutter sieben Schachteln. Diese Schachteln waren voll mit Informationen und Briefen von und über ihre Großeltern. Diese Dokumente schilderten das Schicksal ihrer Familie während des Zweiten Weltkriegs. Dory Sontheimer wusste nur, dass ihre Eltern aus Deutschland stammten, dass die Mutter als 22-Jährige von Freiburg nach Spanien ausgewandert war. Doch bis zu deren Tod ahnte sie nichts von den Hintergründen und Folgen dieser Emigration. Wir hatten das Glück Dory Sontheimer treffen und interviewen zu dürfen und ihre Erzählungen kamen mir hier, am Fuße der Pyrenäen, an dem Ort, wo ihre Großeltern interniert waren, nahe. Welch schöner und zugleich schrecklicher Ort.

 

Julian Würth
geboren am 09.09.2003 in Freiburg
Wohnort: Stegen
Vater: Stefan Würth, geboren am 08.06.1963 in Baiersbronn;
Prokurist Brauerei Ganter
Mutter: Ulrike Jurklies geboren am 13.04.1968 in Sulzbach-
Rosenberg; Optikerin
Geschwister: Tobias (20.07.2005)
Schulzeit: Grundschule Stegen, Marie Curie Gymnasium
Kirchzarten, Realschule am Giersberg Kirchzarten, Walter-Eucken-
Gymnasium Freiburg